Titelbild aus: http://www.taz.de/!5500831/

Das höchste französische Asylgericht hat geurteilt, dass Kabul ein Ort „intensiver, blinder Gewalt“ ist, und dass Abschiebungen dorthin nicht zulässig sind.

Damit steht die französische Rechtsprechung im Gegensatz zur Argumentation österreichischer und deutscher Asylberufungssenate, die Abschiebungen genau dorthin als zumutbar erachten. Die in den negativ beschiedenen Berufungen immer wieder als Grund für Ausweisungen angeführte „innerstaatliche sichere Fluchtalternative Kabul“ hält also nicht.

Wie kann es hier in verschiedenen europäischen Ländern unterschiedliche Einschätzungen geben, wenn doch sowohl von Höchstgerichten, verschiedenen Gutachtern als auch von der UNHCR und vom ……. die Gefährdungslage in Kabul bestätigt wird?

Fakt ist: KABUL IST NICHT SICHER

Egal was Herr Kickl meint.

derstandard.at/2000077408047/Kabul-fuer-Abschiebungen-zu-unsicher-urteilt-franzoesisches-Asylgericht

https://thruttig.wordpress.com/2018/04/24/unhcr-und-franzosisches-asylgericht-kabul-fur-abschiebungen-zu-gefahrlich-taz-online-23-4-18/

https://www.proasyl.de/pressemitteilung/schon-wieder-ein-abschiebeflieger-nach-kabul/

Hier das vollständige Interview mit Thomas Ruttig (Ko Direktor des Afghanistan-Analyst –Network (unabhängige Forschungseinrichtung, die u. a. Berichte des deutschen Auswärtigen Amts beurteilt, Anm.)) aus dem Artikel des Kurier (https://kurier.at/chronik/oesterreich/afghanistan-analyst-es-geht-um-menschenleben/400055588)

Sie waren heuer schon zwei Mal in Afghanistan. Wie schätzen Sie die Lage aktuell ein?

Thomas Ruttig: Sicher ist das Land auf keinen Fall. Die Intensität und Ausdehnung des Konflikts ist größer und weiter als in den vergangenen 17 Jahren, seit der US-geführten Intervention gegen die Taliban. Die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorgänge, alles von Luft- bis Taliban-Angriffen, ist höher als je zuvor.

Die österreichische Regierung schiebt Asylwerber mit negativem Bescheid nach Afghanistan ab.

Ich finde das angesichts der Sicherheitslage nicht angebracht.

In Österreich wird argumentiert, dass es innerhalb Afghanistans Fluchtalternativen gibt. In Kabul etwa könnten junge Männer durchaus leben, heißt es.

Die sogenannte Binnenfluchtalternative Kabul oder in die anderen Großstädte ist und war schon immer unhaltbar, wird aber jetzt evident immer unhaltbarer.

Weil das höchste französische Asylgericht Kabul zuletzt als Ort „hochintensiver blinder Gewalt“ beurteilte?

Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Ich arbeite mit vielen afghanischen Kollegen zusammen und kriege das täglich mit. Die fürchten sich. Bei Anschlägen zucken die Menschen zusammen, lassen alles fallen, fangen an, ihre Angehörigen anzurufen, ob noch alle da sind. Die Leute sind völlig traumatisiert.

Sie sagen, dass die afghanische Regierung die Zahl jener Menschen, die unter der Armutsgrenze liegen, nach oben korrigieren musste.

Und zwar von 32 oder 34 Prozent im Jahr 2011 auf 54,5 Prozent. Das war schon eine ganze Weile bekannt, aber die afghanische Regierung wollte das zuerst nicht bekannt geben. Die Armut in Afghanistan ist heute größer, als sie kurz nach dem Sturz der Taliban war, wo die ganze Entwicklungshilfe noch nicht wieder angeschlagen hatte. Das ist eine niederschmetternde Bilanz.

Was bedeutet Leben unter der Armutsgrenze in Afghanistan?

27 Euro im Monat. Die Zahl der Leute, die in sogenannter Nahrungsmittelunsicherheit leben – früher hätte man gesagt die hungern – ist von gut 30 Prozent auf 44 Prozent hochgegangen. 20 bis 30 Prozent leben nur knapp über der Armutsgrenze. Nur zehn, maximal 20 Prozent der Bevölkerung haben so etwas wie ein ordentliches Leben.

Viele Flüchtlinge kommen in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Österreich. Die Regierung will den „Zuzug ins Sozialsystem“ stoppen. Können Sie das nachvollziehen?

Ich finde es skandalös und absolut falsch, eine Trennung zwischen Kriegsflüchtlingen und Wirtschaftsflüchtlingen zu unternehmen. Afghanistan zum Beispiel ist durch vier Jahrzehnte interne und internationalisierte Konflikte gegangen, da kann man das überhaupt nicht mehr voneinander trennen.

Der Gerichtssachverständige Karl Mahringer – gegen den ein Verfahren läuft (siehe unten) – sagt, man könne junge Männer durchaus zurückschicken.

Deswegen rede ich so viel über die sozialökonomischen Fakten und die Sicherheitslage – die ist selbsterklärend. Natürlich gibt es Auffangmechanismen in der afghanischen Gesellschaft: Ich habe einen Kollegen, der für 17 Kinder sorgt, weil seine Brüder erschossen wurden oder verschwunden sind. Der kriegt aber bei uns noch ein Gehalt, wo er das gerade noch so hinkriegt. Viele andere haben das nicht. Die Auffangmechanismen wurden durch den Krieg zerstört.

Was halten Sie von Mahringers Gutachten?

Ich dachte: „Über welches Land redet der eigentlich?“ Mahringer hat das mit Unwissenschaftlichkeit betrieben. Er hat – das ist für mich die Hauptkritik – vorliegende Literatur und Untersuchungen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Der hat Zeilenschinderei betrieben, im größten Ausmaß.

Dennoch hat er in Österreich eine Monopolstellung als Gerichtssachverständiger für Afghanistan.

Das finde ich – ironisch gesagt – überraschend. Es ist nicht zu vertreten, dass man nur einen „Experten“ hat. Im Grunde ist das ziemlich skandalös, weil es ums Überleben, um Menschenleben geht. Da kann man es sich nicht so einfach machen. Seine Folgerungen sind zum großen Teil falsch. Und ich würde sagen, dass ich mich da besser auskenne als Meister Mahringer, der als Berater nicht sehr viel rumkommt.

 

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